AktuellesPresseverein sorgte für deutschlandweite Tonfilm-Premiere in Münster 1924

Presseverein sorgte für deutschlandweite Tonfilm-Premiere in Münster 1924

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Von Gisbert Strotdrees

Muss die Geschichte des Pressevereins Münster-Münsterland umgeschrieben werden? Das sicher nicht. Aber dass der Presseverein dafür verantwortlich war, dass "im Januar 1924 zum ersten Mal in Deutschland der sprechende Film öffentlich vorgeführt werden konnte" – und das ausgerechnet in Münster –, das ist denn doch, wie ich finde, eine kleine Sensation.

Das Zitat stammt aus einem Bericht mit der Überschrift "25 Jahre Presseverein für Münster und das Münsterland" aus dem Jahr 1931. Diesen Bericht habe ich kürzlich durch Zufall entdeckt, als ich bei Recherchen zur Geschichte der Agrarpresse in der Zeitschrift "Deutsche Presse" gestöbert habe. Sie war laut Untertitel "für die gesamten Interessen des Zeitungswesens" zuständig und außerdem "Organ des Reichsverbandes der deutschen Presse", einer Vorgänger-Organisation des Deutschen Journalistenverbandes.

Der Bericht "25 Jahre Presseverein für Münster und das Münsterland" findet sich in Nr. 44 vom 31. Oktober 1931. Der Name des Verfassers ist nicht genannt. Der Autor dürfte unter den damaligen Vorstandsmitgliedern des Pressevereins zu suchen sein. Das Jubiläum, so heißt es dort, sei "mit Rücksicht auf den Ernst der Zeit zwar nur in ganz bescheidenem Rahmen begangen" worden – aber eben auch mit "innerer Freude und Genugtuung über 25 Jahre ehrlicher Arbeit im Dienste des Berufs und der Berufsorganisation".

Der Presseverein ist 1906 gegründet worden. Das, so erfahren wir im nun entdeckten Rückblick, geschah im Windschatten des 1904 ins Leben gerufenen "Verbandes der Rheinisch-Westfälischen Presse". Dessen Gründer Gottfried Stoffers sei durch halb Deutschland gepilgert, um Orts- bzw. Bezirksvereine zu gründen. "Auch in Münster fand er freudige Zustimmung", heißt es im Rückblick. Stoffers habe im Herbst 1906 "die Redakteure sämtlicher in Münster erscheinenden Zeitungen zum Presseverein zusammenschließen können. Genannt werden die Namen Strietholdt, Koene, Dr. Castelle und Egbring vom "Münsterischen Anzeiger", Warnecke, Dr. Contzen und Mohs vom "Westfälischen Merkur", Zons und Mehls von der "Münsterschen Zeitung" sowie Zimmermann von der Zeitschrift "Westfalen". Bis 1922 seien Kollegen aus dem Münsterland, aus Hamm und auch aus Bielefeld beigetreten – "die weiten Entfernungen führten dann später doch zur Gründung eigener Ortsvereine", heißt es im Bericht weiter.

Aufgelistet wird eine Reihe von Aktivitäten "in Fragen der Versicherung, der Stellenvermittlung, der Fürsorge, der Gehaltsregelung, der Freizeit". Auch aus Vereinsprotokollen, die offenbar längst verschollen sind, wird zitiert. Demnach habe der Presseverein bereits 1916 das Stichwort der Teuerungszulagen aufgegriffen, 1918 über die Stellung von Verlegern und Redakteuren beraten, 1919 schließlich "über die Pressekammern" beraten. Wörtlich heißt es in dem Bericht weiter: "Vor allem die Jahre der Tarifgehälter waren ausgefüllt mit langen Beratungen und Vorschlägen für die Arbeit des Tarifausschusses in Niederrhein-Westfalen."

Erinnert wird schließlich an große öffentlichkeitswirksame Aktionen, so etwa an den Presseboykott des Deutschen Ärztetages 1907 in Münster, mit dem die Journalisten auf "eine schimpfliche Behandlung" von Pressevertretern ein Jahr zuvor in Rostock geantwortet hätten. "Fast die ganze deutsche Presse" sei mit den Kollegen in Münster solidarisch gewesen.

1908 und 1931 fanden Verbandstage der Rheinisch-Westfälischen Presse, 1923 schließlich eine Tagung des "Reichsverband der deutschen Presse" in Münster statt – "ein unvergessliches Ereignis und Erlebnis", so stellte der namentlich nicht genannte Autor des Rückblicks fest.

Neben weitere öffentliche Veranstaltungen, die "ein Höhepunkt des gesellschaftlichen Lebens" gewesen seien, streicht er die eingangs zitierte Deutschlandpremiere des Tonfilms besonders heraus. Sie soll, so bestätigt eine Veröffentlichung des Stadtarchives Münster, im Roland-Theater am Bahnhof stattgefunden haben. Allerdings nennt das Archiv ein anderes Datum: 1929. – Wie dem auch sei: Es ist mehr als nur eine lokale Randnotiz, dass die Stadt Münster gut 50 Jahre vor seiner ersten Skulpturen-Ausstellung bereits beim Film deutschlandweit die "Nase vorn" hatte. Dass dabei die organisierten Journalisten eine tragende Rolle gespielt haben, dürfte nicht die letzte Überraschung sein, die die bislang leider noch unerforschte Geschichte des Journalismus in der Region bereithält. Wer immer sich ihrer annimmt, hätte mehr zu klären als die Frage des Datums und der Hintergründe der Tonfilm-Premiere.