Raus aus dem Flächentarif

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Kurz bevor zum 1. Juli der aktuell ausgehandelte Flächentarif in Kraft tritt, wird bekannt: Der Verlag Aschendorff in Münster, in dem die Westfälischen Nachrichten (WN) erscheinen, will zum 1. Januar 2015 aus der Tarifgemeinschaft austreten.

Die Westfälischen Nachrichten (WN) verabschieden sich aus dem Flächentarif. Sie werden zum 1. Januar 2015 beim nordrhein-westfälischen Verlegerverband nur noch Mitglied ohne Tarifbindung (OT) sein. Das hat Chefredakteur Norbert Tiemann auf journalist-Anfrage bestätigt. Der in Münster ansässige Verlag Aschendorff will so mittelfristig Kosten zu sparen. Tiemann sieht den Verlag dabei „in allerbester Gesellschaft“. Von Kölner und Düsseldorfer Tageszeitungsverlagen ist bekannt, dass sie Teile ihrer Belegschaft ebenfalls nicht mehr nach Tarif bezahlen wollen. Tiemanns Begründung für den Austritt: „Der Tarif war uns zu starr, um unser Ziel zu erreichen, redaktionelle Arbeitsplätze zu sichern und zukunftsfest zu machen.“

Der Ausstieg in Münster wird von einem redaktionellen Sparprogramm für die nächsten drei Jahre begleitet, das laut Tiemann einen Umfang von rund 1,3 Millionen Euro haben soll. Wegbrechende Anzeigen- und Vertriebserlöse sowie die „fehlende Monetarisierung von Online“ führt der Chefredakteur als Gründe an. Sein Ziel: „Ich möchte die publizistische Selbstständigkeit erhalten und nicht Inhalte einkaufen müssen.“  Das ist beispielsweise bei der Westdeutschen Zeitung (Girardet) geplant: Der Großteil der Lokalausgaben wird künftig von der Rheinischen Post (RP Media) gefüllt.

Die Westfälischen Nachrichten haben eine Gesamtauflage von rund 107.000 Exemplaren. Tendenz: leicht sinkend. Zusammen mit kleineren münsterländischen Partnerverlagen kommt die Zeitungsgruppe Münsterland (ZGM) im nördlichen Nordrhein-Westfalen auf eine verkaufte IVW-Auflage (I/2014) von fast 218.000 Exemplaren.

Die tariflich ausgehandelte Gehaltserhöhung von 2,5 Prozent, die rückwirkend zum 1. Mai fällig ist, wird noch gezahlt, danach sollen die Gehälter der derzeit 144 Redakteure und Volontäre für drei Jahre eingefroren werden. Weihnachts- und Urlaubsgeld sollen zudem schon ab 2015 auf 1,5 Monatsgehälter abgesenkt werden – also früher als es der Flächentarif vorsieht. Ferner werden den Redakteuren sechs sogenannte Arbeitszeitverkürzungstage gestrichen, die bisher zusammen mit einer Überstundenpauschale als Ausgleich für die 40-Stunden-Woche vereinbart waren. Bei dieser Wochenarbeitszeit soll es bleiben, die Pauschale wird als Ausgleich für zusätzliche Überstunden erhalten. Chancen für einen Haustarifvertrag sehen Chefredakteur und Betriebsrat derzeit als gering an.

Voraussichtlich werden demnächst zwölf Redakteure in Altersteilzeit gehen. Aber Tiemann hat angekündigt, fünf neue Volontärsstellen einzurichten.

Interessantes Detail: Die Zwei-Klassen-Gesellschaft in der Redaktion soll wieder aufgegeben werden. Während beispielsweise die Mediengruppe der Rheinischen Post angekündigt hat, neue Mitarbeiter künftig in einer tariflosen Firma anzustellen, verabschieden sich die Westfälischen Nachrichten von ihrem vor sieben Jahren gestarteten Experiment: Die rund 30 Redakteure und Volontäre der Aschendorff Content+Marketing GmbH sollen in die Aschendorff Medien GmbH & Co. KG integriert werden, wo die – bislang – tariflich bezahlten Redakteure beschäftigt sind. Begründung: „Um den Betriebsfrieden über Jahre zu erhalten.“

WN-Chefredakteur Norbert Tiemann setzt auf die Solidarität der Redakteure und darauf, dass sie die neuen Arbeitsbedingungen akzeptieren. Möglichst alle Redakteure sollen den neuen Arbeitsvertrag unterschreiben. Bereits vor zwölf Jahren habe die Redaktion, so Tiemann, 16 gestrichene Redakteursstellen durch zeitweilige Halbierung von Redakteursstellen aufgefangen – im Ergebnis habe es nur zwei betriebsbedingte Kündigungen gegeben. Tiemann hofft auf den Erfolg der Sparaktion: „Personalmaßnahmen sind mit mir nicht zu machen.“

Werner Hinse