Verlags-Eigentümer mit Geduld

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Der Erfolg hat ein Zuhause. Und für deutschsprachige Fachzeitschriften dürfte das derzeit Münster-Hiltrup sein. Dort residiert an der Hülsebrockstraße die Landwirtschaftsverlag GmbH. Und auch die Redaktion von „Landlust“, dem derzeit heißesten Titel des deutschen Zeitschriftenmarkts.

Der Landwirtschaftsverlag war das Ziel einer Exkursion des Pressevereins Münster-Münsterland. Den vielen Fragen der Berufskollegen stellten sich Geschäftsführer Hermann Bimberg sowie der Wochenblatt-Redakteur und DJV-Betriebsrat Gisbert Strotdrees. Zentrale Erkenntnis der Besucher: Die deutsche Landwirtschaft ist ein schrumpfender Markt, die zumeist landwirtschaftlichen Zeitschriften-Titel aus Hiltrup trotzen in der Regel aber dem Trend, steigen in der Auflage. „Ein schöner Trend“, schmunzelt Geschäftsführer Hermann Bimberg.

Auf rund eine Million verkaufte Zeitschriften-Exemplare aus dem Landwirtschaftsverlag verwies denn später am Abend stolz auch Anselm Richard, der stellvertretende Chefredakteur des zentralen und tradionsreichen Titels „Landwirtschaftliches Wochenblatt Westfalen-Lippe“, in einem öffentlichen Vortrag über „(Fach-)Journalismus heute: Land, Lust und Last?“, den die Besucher hörten.

Pressevereins-Mitglieder besuchen den Landwirtschaftsverlag.

Seit 2005 marschieren „die schönsten Seiten des Landlebens“ in ganz Deutschland voran, brechen eine Auflagenmarke nach der anderen. Im ersten Quartal 2009 lag die IVW-Auflage bei 464.000 Exemplaren. Das erzählt Bimberg in der als westfälische Bauernstube gestalteten Kantine des Verlagskomplexes gerne seinen Besuchern vom Presseverein am Ende einer Führung durch das Verlagsgebäude, das die unterschiedlichen Redaktionen des Verlags beherbergt.

Bimberg vergaß nicht, den Besuchern die Verlagsgeschichte nahezubringen. Demnach fing alles mit dem Satz eines britischen Besatzungsoffiziers an, der 1946 das „Landwirtschaftliche Wochenblatt-Westfalen-Lippe“ begründete.

Auch wenn die Region heute nur noch rund 38.000 Vollerwerb-Landwirte hat, werden Woche für Woche 65.000 Exemplare per Abo abgesetzt. Wegen der engen Leserblatt-Bindung „müssen die Inhalte Hand und Fuß haben“. Sie sollen und dürfen sich nicht mit Oberflächlichkeiten aufhalten, erklärt Richard das Arbeitsprinzip der Redakteure. Zu dem Wochenblatt „mit den teilweise extrem kritischen und anspruchsvollen Lesern“ gesellte sich 1972 die Zeitschrift „top agrar - das Magazin für moderne Landwirtschaft“. 1989 folgte „profi - Magazin für Agrartechnik“, 2005 schließlich „Landlust“.

Daneben erscheinen diverse Spezialzeitschriften wie „Elite“, „Milchrind“, „SuS - Schweinezucht und Schweinemast“, „Im Garten“ oder „Hof direkt“. In England erscheinen „Profi international“ und in Polen „top agrar polska“ und „tygodnik rolniczy“. In der Schweiz, Österreich. Griechenland, Kasachstan, Russland und Ukraine ist der Landwirtschaftsverlag ebenfalls am Markt. Handelsplattformen im Internet sind ebenso Teil des Verlages wie eine Buchagentur und eine eigenständige, akteull ausgestattete Druckerei. Insgesamt hat der Landwirtschaftsverlag rund 500 Mitarbeiter im In- und Ausland, macht einen Umsatz von rund 70 Millionen Euro (2008) und erzielt „eine angemessene Rendite“ für die drei Eigentümer, den Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband, den Rheinisch-Westfälischen Genossenschaftsverband und die Stiftung Westfälische Landschaft.

Die Besucher waren beeindruckt von der aktuellen Ausstattung, aber auch der Arbeitsorganisation beim „Wochenblatt“ ohne zentralen Newsdesk und mit herkömmlichen Einzel- und Zweierbüros für die Redakteure, die zumeist Landwirtschaft studiert haben. Vor allem haben sie genügend Zeit zum Recherchieren. Es gebe „keinen übertriebenen Sparzwang“ im Verlag, unterstreichen Bimberg wie auch Richard.

Als Erfolgsgeheimnisse gelten in Hiltrup Beständigkeit, Überschaubarkeit und Brechenbarkeit. Bimberg: „Wir haben Eigentümer, die denken in anderen Zeiträumen.“

Sie haben zwar Geduld, aber begrenzt. Deshalb greifen die Verlagseigentümer auch zu unpopulären Entscheidungen, wie dem Verkauf des Wein-Magazins „Vinum“ zum 1. Juli dieses Jahres. Die simple Erklärung von Bimberg für diesen Schritt: „Es passte nicht zu uns.“