AktuellesSpannende Diskussion zur Vertrauenskrise gegenüber Medien

Spannende Diskussion zur Vertrauenskrise gegenüber Medien

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Lügenpresse, Hate Speech, Fake News – Medien und Journalisten sind derzeit harten Angriffen ausgesetzt. Das Vertrauen der Menschen in die Medien schmilzt dahin – diesen Eindruck haben zumindest viele Medienschaffende, die sich täglich mit Kritik und Verbalattacken konfrontiert sehen. Doch lässt sich die Vertrauenskrise auch wissenschaftlich belegen?

 

Nein, sagt Bernd Blöbaum, der anlässlich der Mitgliederversammlung des Pressevereins Münster-Münsterland am 21. März einen Vortrag in der Stadtbücherei in Münster hielt. Blöbaum ist Professor für Kommunikationswissenschaft an der Universität Münster und Sprecher des Graduiertenkollegs „Vertrauen und Kommunikation in einer digitalisierten Welt“, in dem rund 20 Doktoranden seit 2012 umfassend zum Thema forschen. Es gebe keinen Beleg, dass das Vertrauen in die Medien in der jüngeren Vergangenheit nennenswert gesunken sei, sagte Blöbaum mit Bezug auf unterschiedliche Studien wie den Digital News Report der Universität Oxford oder das Eurobarometer der EU-Kommission. Wohl aber habe die Berichterstattung darüber ein größeres Ausmaß angenommen – und damit die gefühlte Krise. Und auch darauf müssten Medienmacher und Journalisten reagieren.

Blöbaum verwies darauf, dass Vertrauen sich nur schwer messen lässt. Viele Studien seien nicht vergleichbar, da sie unterschiedlich angelegt sind. Einige würden das Vertrauen in Medien als Institution messen, andere das Vertrauen in Nachrichten oder zu bestimmten Journalisten. Dabei, unterstrich der Medienwissenschaftler, komme man zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen. Die Frage, ob die Menschen beispielsweise den „Tagesthemen“ der ARD vertrauten, werde weitaus häufiger bejaht als die generelle Frage nach dem Vertrauen in „die Medien“. Auch sei das Vertrauen in Menschen immer größer als das in Institutionen.

„Ein gewisses Misstrauen ist auch gar nicht so schlecht“, sagte Bernd Blöbaum den versammelten DJV-Mitgliedern. Denn das sei auch ein Zeichen für eine aufgeklärte Gesellschaft. „Die Leistung der Medien besteht ja gerade darin, Misstrauen in der Gesellschaft zu erzeugen.“ Die Zweifel der Medienkritiker richteten sich dabei vor allem gegen mögliche Absichten hinter einer Berichterstattung, aber auch gegen die Integrität und die Kompetenz der Verfasser, die als „Teil des Establishments“ wahrgenommen würden. Eine Befragung der Universität Münster ergab, dass Medienskeptiker vor allem fehlende oder verfälschende Berichterstattung sowie mangelnde Objektivität beklagen. Der Anteil an unversöhnlichen Kritikern liegt einer Studie der Universität Leipzig zufolge bei 14 Prozent, andere Erhebungen kamen auf noch niedrigere Werte.

Was können Medien und Journalisten nun tun, um ihre Glaubwürdigkeit zu stärken und das ihnen entgegengebrachte Vertrauen zu rechtfertigen? Die Antwort liegt mal wieder in den Zauberwörtern Qualität und Transparenz. Bernd Blöbaum zählte einige Möglichkeiten auf: „Fehler zugeben, Arbeitsschritte erklären, Publikumskontakte ausbauen, Qualitätskontrolle entwickeln.“ Einige Medien – etwa die „Zeit“ mit ihrem jüngst eingerichteten „Glashaus“-Blog – gehen da schon in die richtige Richtung, indem sie Einblicke schaffen und sich Diskussionen stellen. Viele Häuser aber haben in der Vergangenheit ihre Medienressorts – genau der Ort für solche Selbstkritik – abgeschafft oder ausgedünnt. Ein Fehler, wie sich heute zeigt.

Wie umfassend der gesellschaftliche Strukturwandel ist, der sich in der Vertrauenskrise der Medien niederschlägt, zeigte die anschließende Diskussion mit den DJV-Mitgliedern. Die Existenz des digitalen Rückkanals, merkte ein Teilnehmer an, habe die Erwartungen der Nutzer an die Journalisten stark ansteigen lassen. Diese seien oft schon am Limit ihrer Belastbarkeit. Aber nicht nur die Medien stehen unter Druck – sondern alle Institutionen, seien es Kirchen, Politik oder Wissenschaft. „Wir haben es mit einer Auflösung der Strukturen zu tun“, mahnte ein Kollege. Gerade darum, so Bernd Blöbaum, komme den Medien nach wie vor eine sehr wichtige Rolle vor: „Wer sonst macht unsere Gesellschaft noch sichtbar?“
Anna von Garmissen